Ein Rezept gegen den Flächenfraß

09.09.2017
Ein Rezept gegen den Flächenfraß
Täglich werden bayernweit 13 Hektar Land zubetoniert. Die Grünen wollen diese Entwicklung per Volksbegehren bremsen. In Krumbach erläuterte Fraktionschef Ludwig Hartmann das Konzept.
Industriegebiet zwischen Gersthofen und Hirblingen (Landkreis Augsburg). Per Volksbegehren wollen die Grünen in Bayern eine gesetzliche Obergrenze für den Flächenverbrauch einführen. Ludwig Hartmann, Chef der Grünen im Landtag, stellte das Konzept und Lösungsansätze für das Problem in Krumbach vor. (Symbolfoto)

Im Landkreis Günzburg wird kräftig Beton gerührt. Ob das die vor Kurzem fertiggestellten oder noch in Planung befindlichen Umgehungsstraßen im Mindeltal sind, neue Gewerbegebiete in Thannhausen, Ursberg oder Jettingen. Auf Teufel komm raus werden derzeit in den Kommunen Neubaugebiete ausgewiesen. Im Einzelnen ist die Argumentation der Kommunen stets nachvollziehbar. Um die Abwanderung von Unternehmen und Menschen in die großen Ballungszentren oder Nachbargemeinden zu verhindern, müssen die Gemeinden ihren Bürgern etwas bieten.
Landkreis Günzburg mit 405 Quadratmeter versiegelter Fläche pro Einwohner über dem bayerischen Durchschnitt
Und so bahnt sich der Flächenfraß seinen Weg durch Bayerns Natur. Im Schnitt werden im Freistaat rund 13 Hektar täglich in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt, wie eine Erhebung des Bayerischen Landesamts für Umwelt aus dem Jahr 2015 ergab. Das sind etwa 18 Fußballfelder. Seit 1980 hat der Flächenverbrauch um etwa 50 Prozent zugenommen, während die Bevölkerung Bayerns im gleichen Zeitraum lediglich um circa 15 Prozent wuchs. Zwischen den Jahren 2000 und 2015 wurde mit 670 Quadratkilometern eine Fläche von der Größe des Bodensees, Chiemsees und Starnberger Sees zusammen zubetoniert. Der Landkreis Günzburg liegt mit 405 Quadratmeter versiegelter Fläche pro Einwohner sogar deutlich über dem landesweiten Durchschnitt, der laut Landesamt für Umwelt im Jahr 2015 bei 330 Quadratmeter lag. Ganz oben spielt der Landkreis auch bei der Vorhaltung freier Gewerbeflächen mit. 619 Hektar Gewerbegrund werden hier für potenzielle Käufer vorgehalten. Mehr Fläche wird in Bayern nur im Landkreis Ansbach zur Verfügung gestellt. Dazu muss man fairerweise sagen, dass ein großer Teil der besagten Gewerbeflächen auf das Konto des interkommunalen Gewerbegebiets auf dem ehemaligen Leipheimer Flughafen geht. Dieses Projekt ist jedoch gerade im Hinblick auf den Flächenverbrauch vorbildlich, weil mehrere Kommunen sich daran beteiligen und damit auf eine separate Ausweisung auf ihrem eigenen Grund verzichten.
Nichtsdestotrotz sei es höchste Zeit, beim Flächenverbrauch in Bayern „endlich die Notbremse zu ziehen“, wie Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen im Bayerischen Landtag, am Montagabend in Krumbach forderte. Zu diesem Zweck wollen sie ein Volksbegehren initiieren, mit dem der tägliche Flächenverbrauch in Bayern per Gesetz auf fünf Hektar pro Tag reduziert wird. Ihm sei durchaus bewusst, dass die Grünen sich mit dem Volksbegehren auf einen „verdammt harten Weg“ machten. Doch „wenn wir so weitermachen, wird Bayern sein Gesicht verlieren“, warnte Hartmann.
Hartmanns Vortrag in Krumbach zeichnete sich durch fundierte Sachkenntnis aus, die er durch konkrete Beispiele aus seiner Erfahrung als Stadtrat in Landsberg am Lech veranschaulichte. Auch die oftmals den Grünen unterstellte ideologische Keule ließ Hartmann an diesem Abend in der Ecke stehen und hieb für Wahlkampfzeiten sehr moderat auf die Staatsregierung ein.
Als Lösung präsentiert Hartmann den Handel mit Flächenzertifikaten
Mehrfach habe Ministerpräsident Horst Seehofer betont, dass die Begrenzung des Flächenverbrauchs ein wichtiges Thema sei, sagt Hartmann. Doch für die Grünen geht die Staatsregierung das Problem zu lasch an. Mit der Lockerung des Anbindegebots im Landesentwicklungsprogramm, die es Kommunen künftig erleichtern soll, Gewerbegebiete im Außenbereich, etwa an Autobahnaus- und -abfahrten, zu ermöglichen, untergrabe sie das Ziel der Bundesregierung, den täglichen Flächenverbrauch bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar zu begrenzen. Wohin eine freiwillige Regelung zur Begrenzung der Betonflut führt, zeige die Erfahrung der vergangenen Jahre. Der Flächenverbrauch habe sich inzwischen „völlig von der wirtschaftlichen Entwicklung losgelöst“. Dabei seien es nicht einmal die boomenden Regionen und Städte, die besonders viel Fläche verschlingen, sondern zu zwei Dritteln die strukturschwachen Gegenden und der ländliche Raum. In München etwa, wo die Quadratmeterpreise gerade durch die Decke schießen, sei es kein Thema, Parkflächen oder Fachmärkte auf mehrere Geschoße zu verteilen.
Um den Kommunen dennoch Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, wollen die Grünen den Handel mit Flächenzertifikaten einführen. Kommunen erhalten dabei Flächenausweisungsrechte in Form von Zertifikaten, die sie benötigen, wenn sie im Außenbereich neue Flächen ausweisen wollen. Je nach Bedarf können die Kommunen mit den Zertifikaten auch untereinander handeln. Das Institut für Wirtschaftsforschung setzt derzeit einen Modellversuch im Auftrag des Bundesumweltamts um. Die Stadt Nördlingen nimmt als unterstützende Kommune als eine von fünf Städten in Bayern an dem Projekt teil. Wie schwierig es sein wird, das Volksbegehren umzusetzen, deutete sich auch in Krumbach an. Manchen Vertretern der Grünen-Basis sind auch die fünf Hektar noch zu viel. Langfristig, so Hartmann, sei das Ziel ein Flächenkreislaufsystem: „Das Volksbegehren ist jetzt ein erster Schritt.“ Im Landkreis Günzburg wird kräftig Beton gerührt. Ob das die vor Kurzem fertiggestellten oder noch in Planung befindlichen Umgehungsstraßen im Mindeltal sind, neue Gewerbegebiete in Thannhausen, Ursberg oder Jettingen. Auf Teufel komm raus werden derzeit in den Kommunen Neubaugebiete ausgewiesen. Im Einzelnen ist die Argumentation der Kommunen stets nachvollziehbar. Um die Abwanderung von Unternehmen und Menschen in die großen Ballungszentren oder Nachbargemeinden zu verhindern, müssen die Gemeinden ihren Bürgern etwas bieten.
Landkreis Günzburg mit 405 Quadratmeter versiegelter Fläche pro Einwohner über dem bayerischen Durchschnitt
…Ein Rezept gegen den Flächenfraß – weiter lesen auf Augsburger-Allgemeine: www.augsburger-allgemeine.de/guenzburg/Ein-Rezept-gegen-den-Flaechenfrass-id42579871.html
Von: Stefan Reinbold

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