TTIP

TTIP (Antrag vom 11.11.14)
Die Grüne Fraktion im Kreistag Günzburg beantragt:
 
Der Kreistag möge folgende Resolution beschließen:
Der Kreistag verfolgt aufmerksam die Handelsgespräche zwischen den USA und der EU. Diese eröffnen die Chance, die bilateralen Handelsbeziehungen zu intensivieren und dabei fair und nachhaltig zu gestalten.
Der Kreistag appelliert an die Bundesregierung, bei den derzeit geführten Verhandlungen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) auf die Wahrung der europäischen Sozial- und Umweltstandards sowie auf den Schutz der kommunalen Daseinsvorsorge Wert zu legen.
Der Kreistag wünscht in diesem Zusammenhang auch das klare Bekenntnis zu der Bedeutung der Daseinsvorsorge, der Wichtigkeit des Subsidiaritätsprinzips und somit zur Erhaltung der Gestaltungshoheit der Kommunen und Landkreise bei der Daseinsvorsorge.
Vor diesem Hintergrund appelliert der Kreistag an die Bundesregierung und an das Europäische Parlament, sich gegenüber der EU-Kommission mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass die kommunale Daseinsvorsorge, darunter insbesondere die nicht liberalisierten Bereiche, wie die öffentliche Wasserver- und Abwasserentsorgung, die Bereiche Abfall und ÖPNV, soziale Dienstleistungen sowie alle Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge im Kulturbereich vom derzeit mit den USA verhandelten Freihandelsabkommen – und allen weiteren Handelsabkommen – explizit ausgeschlossen wird.
Der bisherige Prozess der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen EU-USA ist in hohem Maße intransparent und vernachlässigt die Rechte der gewählten Parlamentarier auf europäischer, nationaler und Länderebene sowie die der Kommunen.
Der Kreistag appelliert an die EU-Kommission, das Mandat über die Verhandlungen offen zu legen und über den Verhandlungsprozess regelmäßig zu berichten. Die kommunalen Spitzenverbände sind an den Verhandlungen zu beteiligen. Größtmögliche Transparenz bei den Verhandlungen und eine stärkere Einbindung der Zivilgesellschaft werden als zwingend für die weiteren Verhandlungen angesehen.
Die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit müssen auch in Streitfällen gelten. Schutzklauseln für Investoren und Sonderschiedsgerichten ohne demokratische Legitimation ist eine klare Absage zu erteilen.
TTIP darf nicht nur der Wirtschaft, sondern muss allen Bürgerinnen und Bürgern nutzen. Dabei spielen die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine zentrale Rolle. Das Freihandelsabkommen darf bestehende nationale und europäische Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards nicht beschneiden oder gefährden.
Der Landrat wird gebeten, die kommunalen Spitzenverbände, insbesondere den deutschen und den bayerischen Landkreistag, bei deren Aktivitäten in der bisherigen Zielrichtung zu unterstützen.
Der Landrat wird beauftragt, die städtischen Beteiligungsgesellschaften zu bitten, in ihren jeweiligen Verbänden die durch das TTIP drohenden Gefahren für die kommunale Daseinsvorsorge zu thematisieren und darauf hinzuwirken, dass auf Bundesebene Einfluss zu Gunsten der kommunalen Interessen genommen wird.
 
Begründung:
Derzeit finden zwischen der EU und den USA Geheimverhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) sowie dem TiSA (Trades in Services Agreement) statt – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nicht einmal EU-Abgeordnete haben uneingeschränkten Zugang zu den Dokumenten. Beteiligt an den Verhandlungen sind aber 600 Vertreter von Großkonzernen. Obwohl Gemeinden und Landkreise direkt von den eventuellen Abkommen betroffen sind, werden die kommunalen Spitzenverbände nicht in die Verhandlungen eingebunden. Dies entspricht nicht unserem Verständnis von Transparenz, Demokratie und kommunaler Selbstverwaltung.
Der bayrische Städtetag warnt seit Herbst 2013 vor den Bedrohungen der Freihandelsabkommen für die kommunale Daseinsvorsorge, der Hauptausschuss des Deutschen Städtetags hat im Februar 2014 einen Beschluss zu den Auswirkungen weltweiter Handelsabkommen auf die kommunale Daseinsvorsorge getroffen und auch die kommunalen Spitzenverbände und der Verband kommunaler Unternehmen üben in einem Positionspapier vom Oktober 2014 scharfe Kritik an den Abkommen und der Art und Weise deren Verhandlung.
Neben den vielen schon durch die Medien bekannten Auswirkungen für die gesamte Bevölkerung (Gentechnik, Verbraucherschutz, Vorsorgeprinzip bei der Schädlichkeit von Produkten) haben die geplanten Abkommen insbesondere auch immense Auswirkungen auf die Gemeinden und Landkreise:
Marktzugangsverpflichtungen im Rahmen des Freihandelsabkommens sind jedoch geeignet, die kommunale Organisationsfreiheit auszuhöhlen: Sollten typische kommunale Dienstleistungen wie die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, der Öffentliche Personennahverkehr, Sozialdienstleistungen, Krankenhäuser oder die Kultur Regeln zur Liberalisierung unterworfen werden, würde die derzeit garantierte umfassende Organisationsentscheidung von KommunalvertreterInnenn durch rein am Wettbewerbsgedanken ausgerichtete einheitliche Verfahren ersetzt.
Regelungen zum öffentlichen Beschaffungswesen und Wettbewerbsrecht in Handelsabkommen können erhebliche Auswirkungen auf die kommunale Organisationsfreiheit haben. Es ist zu befürchten, dass das Abkommen hinter dem reformierten europäischen Vergaberecht zurückbleiben wird. Insbesondere die Erleichterungen für Inhouse-Vergaben und die interkommunale Zusammenarbeit sowie die Bereichsausnahmen für Rettungsdienste und die Wasserwirtschaft dürfen nicht durch die Hintertür eines Freihandelsabkommens auch nur ansatzweise in Frage gestellt werden.
Investoren würde durch das Freihandelsabkommen die Möglichkeit eingeräumt werden, ihnen unliebsame, aber demokratisch legitimierte und rechtsstaatlich zustande gekommene politische und administrative Maßnahmen (z.B. Regulierung von Fracking zum Schutz der Trinkwasserressourcen) vor internationalen Schiedsgerichten anzugreifen.
Dies kann zu erheblichen Schadensersatzforderungen gerade auch gegen Gemeinden und Landkreise führen, die jedoch nicht vor der deutschen Gerichtsbarkeit, sondern vor einem internationalen Schiedsgericht erstritten werden können.
Aufgrund dieser direkten Auswirkungen ist es unserer Meinung nach zum Wohle des Landkreises unumgänglich, alle Mittel auszuschöpfen, um eine bessere Einbeziehung der Öffentlichkeit, sowie eine sofortige Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände an den Verhandlungen zu erreichen.
Nur so können für einen derart weitreichenden Eingriff in die staatliche und kommunale Regulierungshoheit Standards der Transparenz und der demokratischen Legitimation geschaffen werden.
 
Wir freuen uns auf eine anregende Diskussion zu dem Thema und sind natürlich offen für weitere Anregungen, Änderungsvorschläge und sonstige Beiträge hinsichtlich der Resolution.

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