Volksbegehren Bienen-Debatte in Starnberg: Buh-Rufe für die Agrarministerin

Die Biene wird zum Politikum. Das Volksbegehren zum Schutz von Insekten ist zentrales Thema beim Imkertreffen.

In der hitzigen Atmosphäre beim Imkertreffen verliert Michaela Kaniber die Kontrolle und schreit einen Zwischenrufer an. Das Volksbegehren lehnt die CSU-Politikerin ab.

Von Blanche Mamer

Nicht nur für langjährige Imker und Neueinsteiger, sondern auch für Politiker und Wissenschaftler ist das Imkergespräch in Starnberg mittlerweile ein Muss. Zum elften Treffen, das zufällig mit dem Start des Volksbegehrens „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ zusammen fiel, sind etwa 380 Teilnehmer in die Starnberger Schlossberghalle gekommen. „Ein Riesenerfolg“, wie Organisator Hubert Dietrich vom Bienenzuchtverein Starnberg sagte. Irgendwie sei die Atmosphäre aber auch von dem Volksbegehren überschattet gewesen.

Denn die Zuhörer waren extrem sensibilisiert, die Rede von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) wurde sehr kritisch verfolgt, einige Aussagen mit Murren und Buh-Rufen bedacht. Während der Podiumsdiskussion zum Thema „Bienenfreundliche Landwirtschaft – geht das zusammen?“ verlor sie kurz ihr Lächeln und die Kontrolle, sprang auf und schrie sogar einen Zwischenrufer an. Für Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, gab es Pfiffe. Dietrich bedauerte die Art der Reaktion, die indes die Stimmung von Imkern und manchen Landwirten gegenüber der Politik sehr gut wiedergegeben habe.

Mit der Wahl der Fachvorträge hatte Dietrich eine glückliche Hand. Vor allem Albrecht Friedle, der Geschäftsführer eines Analysezentrums für Lebensmittelsicherheit, Rückstandsanalytik, Innenraumdiagnostik und Umweltmedizin bei Regensburg, ging auf eine Studie ein, die von 1990 bis 2017 einen erheblichen Rückgang von 35 Prozent der Insekten feststellte. Hochgerechnet bedeute das, dass es 2065 keine Insekten mehr geben könnte, wenn sich nichts ändert. Eine Aussicht, die auch bei den Landwirten große Unruhe verursacht. Friedle selbst hat Bienenwachsblätter in den Stöcken untersucht und 22 Rückstände gefunden, darunter drei hochgiftige Substanzen, die sich auf das Wachstum und die Gesundheit der Larven und der Jungbiene auswirkt.

Schlange stehen in den Rathäusern

So viele Besucher wie an den vergangenen beiden Tagen hat Kraillings Geschäftsführer Franz Wolfrum noch nie im Rathaus gesehen. Der Grund sind die Bienen: Insgesamt 408 Kraillinger haben bis Freitagmittag das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ zum Erhalt der Artenvielfalt unterstützt. Auch in anderen Rathäusern im Landkreis bildeten sich Schlangen. In Herrsching haben bislang 373 Personen unterschrieben, die Verwaltung hatte extra alle Büros des Einwohnermeldeamts geöffnet, um Wartezeiten zu verhindern. In Andechs trugen sich bislang 74 Menschen in die Listen ein, in Berg 150. In Inning kamen 246 Menschen ins Rathaus, um das Volksbegehren zu unterstützen. Und auch in Weßling gingen seit Donnerstagmorgen den ganzen Tag Leute ein und aus, insgesamt 260 haben sich dort in die Listen eingetragen. In Gauting haben bisher 735 Personen das Volksbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützt. „Inklusive Stockdorf dürften es gut 800 sein“, sagt Sprecher Maximilian Olberding. Ebenso viele Unterschriften sollen es auch in Gilching sein, wie Tobias Baumann vom Bürgerservice sagt. In der Stadt Starnberg wurden bisher 520 Unterschriften für das Volksbegehren gezählt, in Pöcking waren es alleine am Donnerstag etwa 150. Knapp 190 Unterschriften sollen es laut Katharina Goltz vom Wahlamt bislang in Feldafing sein, „die Leute standen mitunter bis in den Bürgersaal hinein“. In Tutzing zählte Geschäftsleiter Marcus Grätz am Freitag um 12 Uhr exakt 350 Unterschriften. In Wörthsee haben 229 Personen unterschrieben. tah/frie

Dass die Imker große Verdienste haben, ist für Ministerin Kaniber unstrittig. Dass die Artenvielfalt erhalten werden müsse, sei für sie keine Frage, allerdings forderte sie, miteinander zu reden. Denn es „geht nicht, dass die Gesellschaft sich ihr Verhalten von einer Branche vorschreiben lässt“. Womit sie die ersten Buhrufe erntete. Für ihre Aussage „Bayern ist das Ökoland Nummer eins“ gibt es Lacher und Pfiffe. Die Forderung im Volksbegehren nach 30 Prozent Ökolandwirtschaft grenzt für sie an Planwirtschaft und verursacht ihrer Ansicht nach ein Schrumpfen der Fördertöpfe. Leopold Herz, Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses und agrarpolitischer Sprecher der Freien Wähler im Landtag sowie selbständiger Landwirt im Oberallgäu, plädiert für einen intensiven Austausch mit den Bauern und hofft auf einen Kompromiss. „Wir haben alle das Ziel, die Natur zu erhalten. Wir sollten uns nicht als Gegner sehen, sondern als Gemeinschaft“, sagte er.

Von der bienenfreundlichen Landwirtschaft zur Bio-Landwirtschaft ist nur ein kurzer Weg. Bei der Podiumsdiskussion, an der außer der Ministerin, dem Bauernpräsidenten Heidl und Leopold Herz auch Walter Haefeker, Präsident der Europäischen Berufsimker, und Matthias Wucherer vom Netzwerk Blühende Landschaft teilnahmen, zeigte sich, dass die Gräben zwischen den Vertretern der Biobauern und der konventionellen Landwirtschaft noch tief sind. Auf wiederholte Nachfragen von Moderator Werner Bader bezeichnete Bauernpräsident Heidl gemeinsame Aktionen von Landwirten und Naturschützern als „Horrorszenario“. Er bezweifelt das Ausmaß des Artensterbens und forderte fundierte Zahlen, „die nicht von Laien gesammelt wurden“ und erntete Pfiffe. Haefeker fand, dass der Blick auf die Windschutzscheiben der Autos im Sommer doch eindeutig zeige, wie wenig Insekten noch unterwegs seien.

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