Volksbegehren: Noch ist die Artenvielfalt groß

Für das Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ warben bei einem Vortragsabend (von links) Bernhard Lohr, Stefan Böhm, Helga Imminger und Matthias Luy. Bild: Greta Kaiser

Matthias Luy vom Landesbund für Vogelschutz erklärt in Günzburg, warum weniger Mücken auch für andere Tiere eine Gefahr sind.

William Shakespeare hatte noch leicht reden. „Es war die Nachtigall und nicht die Lerche“, heißt es in seiner Tragödie „Romeo und Julia“. Um literarische Feinheiten ging es am Freitagabend freilich nicht. Im Forum am Hofgarten stand vielmehr die Frage im Raum: Wer hat zuletzt eine Lerche gesehen, wer den Gesang einer Nachtigall gehört? Vögel, Insekten und Amphibien sind auf dem Rückzug, vielen Wildpflanzen geht es ähnlich schlecht. Der weitere Verlust heimischer Arten soll mit dem Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ gestoppt werden. Grüne, Günzburger Bürgerliste, Landesbund für Vogelschutz und der Verein Faszination Regenwald hatten zu einer bestens besuchten Infoveranstaltung eingeladen.

Auch vor der Haustüre greift das Artensterben um sich

Bernhard Lohr, Arzt und Biologe aus Reisensburg, hatte die zahlreichen Besucher in doppelter Funktion begrüßt. Er ist Mitglied der Grünen und Vorsitzender des Vereins Faszination Regenwald (hier lesen Sie mehr dazu). Was ist nicht alles bedroht? Panda, Nashorn, Tiger und Orang-Utan zum Beispiel. Sie sind so etwas wie die Symbolfiguren des Artensterbens, irgendwie dann aber doch fernab. „Auch vor der Haustür“, so Lohr, greife das Artensterben in katastrophaler Weise um sich. In den vergangenen 25 Jahren sei der Bestand an Insekten um 75 Prozent zurückgegangen, vor allem Feld-, aber auch Waldvögel seien buchstäblich im Sinkflug. In vielen Regionen Bayerns seien zahlreiche Vogelarten kaum noch zu finden, ähnlich wie Amphibien – Frösche, Molche, Unken oder Lurche. Wälder seien vielfach reine Fichtenäcker, in einer ausgeräumten, landwirtschaftlich intensiv und industrialisiert genutzten und damit ökologisch verarmten Landschaft werde einer vielfältigen Fauna und Flora immer mehr die Grundlage entzogen. Das alles sei nicht schicksalhaft über Mensch und Natur gekommen, betonte Lohr. Fehlentwicklungen könnten auch wieder korrigiert werden. Über das laufende Volksbegehren solle deshalb die bayerische Politik veranlasst werden, mehr als bisher für den Erhalt der Artenvielfalt zu tun.

Streuobstwiesen mussten Neubaugebieten weichen

Die Artenvielfalt ist in Deutschland (noch) groß, erläuterte Referent Matthias Luy vom Landesbund für Vogelschutz in einem Lichtbildervortrag. 585 Arten von Wildbienen sind bekannt, 170 unterschiedliche Tag- sowie 3500 Nachtfalter, dazu 620 Zikaden- und 6500 Käfer-Arten. Zahllos sind die Untergruppen der 150 Mücken-Familien. Die Vielfalt der Arten dürfe nicht über die Probleme hinwegtäuschen. Denn ihr Bestand sei über die Jahre dramatisch zurückgegangen – sie fehlen damit in der Nahrungskette anderen Tieren. Nicht nur die Landwirtschaft, auch die Siedlungspolitik habe ihren Teil zum Artenverlust beigetragen. „Früher waren die Dörfer von Streuobstwiesen gesäumt, sie mussten Neubaugebieten weichen“, erklärte Luy. Nun gelte es, diese wertvollen ökologischen Nischen zu bewahren.

Landwirte sollen zu naturnaheren Wirtschaft bewegt werden

Ein großes Problem für Insekten seien zudem die vielen Lampen, die selbst abgelegene Gewerbegebiete nachts beleuchten. Im Gegensatz zu einigen anderen bäuerlichen Vereinigungen fahre der Bayerische Bauernverband „leider eine massive Gegenkampagne“ zum laufenden Volksbegehren, kritisierte Luy (lesen Sie dazu hier: Bauer Bissinger sagt Nein zum Volksbegehren). Dabei gehe es nicht darum, Zwang auf die Landwirte auszuüben, wie vom Bauernverband behauptet. Ziel sei es vielmehr, die bayerische Politik zu veranlassen, mithilfe von finanziellen Anreizen die Landwirte zu mehr Öko-Landbau und damit zu

einer naturnaheren Wirtschaftsweise zu bewegen – etwa durch größere Randstreifen an Feldwegen und Gewässern, die Schaffung von Biotop-Verbünden oder weniger Mahden das Jahr über. Luy: „Die bisherigen Maßnahmen reichen nicht.“

Mit dem Volksbegehren, unterstützt von mittlerweile rund 200 Parteien, Verbänden und Unternehmen, müsse deshalb Druck auf die Politik ausgeübt werden – zum Nutzen aller. Und um zu vermeiden, was in China schon gang und gäbe ist. Mangels Bienen und Hummeln klettern dort Menschen durch die Obstbäume, um die Blüten mit Pinseln zu bestäuben. Schöne Aussichten sind das nicht.

Von Walter Kaiser

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