Bundestagswahl-Kandidatin Ekin Deligöz: Wahlkampf in politisierter Zeit

23.08.2017
Bundestagswahl-Kandidatin Ekin Deligöz: Wahlkampf in politisierter Zeit
Reden, reden, reden. Eine kurze Reise mit Ekin Deligöz (Grüne) durch den Wahlkreis ins Innere der Demokratie.
Die Neu-Ulmer Grünen-Abgeordente Ekin Deligöz (am Fernrohr) mit der bayerischen Parteichefin Sigi Hagl (links daneben) und ihrer Wahlkampf-Delegation im Vogelbeobachtungsturm am Plessenteich bei Gerlenhofen. (Foto: Volkmar Könneke)

Den Bienen fehlt es an Nahrung. Maisfelder so weit das Auge reicht, die Randstreifen entlang den Straßen abgemäht bis auf den Stumpf. „Die Bienen sind ein Anzeiger dafür, wie es vielen anderen Insekten geht“, erklärt die Neu-Ulmer Imkerin Gabriele Schwegler. Die Sendener Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz (Grüne) ist mit ihrer Landesvorsitzenden Sigi Hagl auf Wahlkampf-Tour.
Von den Bienenstöcken geht es weiter an den Plessenteich bei Gerlenhofen. Wolfgang Gaus, Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft für den Neu-Ulmer Lebensraum (GAU), erwartet die Grünen-Delegation, zeigt bei einer Führung am Teich, dass Artenschutz mit Hilfe von privatem Engagement auch in dicht besiedelten Gebieten gelingen kann.
Wahlkampf als Fortbildung
Ur-grüne Themen bestimmen den Wahlkampftag von Ekin Deligöz. Dabei ist die 46-Jährige, die seit 1998 im Bundestag sitzt, eigentlich nicht auf Flora und Fauna fokussiert. Nach Jahren als Spezialistin für die Kinder- und Familienpolitik ist die gebürtige Türkin inzwischen in der Königsdisziplin der Parlamentarier unterwegs. Sie ist Mitglied des Haushaltsausschuss des Bundestages und stellvertretende Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses.
Klingt trocken, ist es aber nicht. „In dieser Rolle kann man viel gestalten“, sagt sie. Geld regiert eben nicht nur die Welt, sondern auch die politischen Möglichkeiten. „ich bin aber schon deshalb froh über den Wechsel, weil ich das Gefühl hatte, alle meine Reden zur Familienpolitik schon auswendig zu können.“
Eintönigkeit ist nicht die Welt der Verwaltungswissenschaftlerin. Deshalb ist sie gerne auf Tour bei Imkerinnen, Naturschützern und Co. „Wahlkampftermine sind die beste Fortbildung, die man bekommen kann“, sagt sie. Reden, reden, reden. Zuhören. „Die meisten Menschen verarbeiten Themen durch das Gespräch“, ist Deligöz überzeugt. Und gerade im aktuellen Wahlkampf hat sie das Gefühl, dass die Menschen reden, sich Antworten holen wollen. „Wir leben in einer sehr politisierten Zeit.“ Das meint die Sendener Kandidatin, die wieder über die bayerische Landesliste ihrer Partei in den Bundestag einziehen will, schon alleine an den vielen gut besuchten Wahlkampfpodien ablesen zu können. Und daran, dass die potenziellen Wähler derzeit aktiv das Gespräch suchen und offenbar nicht nur sehen wollen, „wer  ihnen am besten zuhört“.
Eine „Kollektiv-Traumatherapie“ für eine Gesellschaft, die die Nachrichtenfülle nicht mehr verarbeiten kann, vermutet die Abgeordnete hinter diesem erhöhten Gesprächsbedarf. Und er kommt ihr entgegen, weil sie glaubt, dass das Politk- und Politiker-Bashing, das Erstarken der Populisten in Europa und Deutschland  nur so zu überwinden ist. „Demokratie heißt Raum schaffen für Gespräche.“ So ist die Sendenerin überzeugt, ließe sich auch die Verunsicherung der Menschen in einer immer schnelllebigeren und nicht mehr so verlässlichen Zeit am ehesten bearbeiten.
Bilder im Kopf überwinden
In diesem Sinne hätte es Ekin Deligöz gerne, dass die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen mehr miteinander reden. „Nicht nur Gewerkschafter mit Gewerkschaftern, Unternehmer untereinander, Rentner mit Rentnern.“ Das ist aus dem Verständnis der Abgeordneten wichtig, um vorgefertigte Bilder im Kopf zu korrigieren. Wie wichtig das sein kann, erlebt die gebürtige Türkin seit Jahren ganz persönlich. „Die Leute haben bevor sie mir begegnen oft ein Bild im Kopf, das ich überwinden muss. So nach dem Motto: Sie kann Deutsch, sie ist nicht dumm, dann höre ich ihr mal zu.“
Eine Erfahrung, aus der heraus Ekin Deligöz überzeugt ist: „Die nächste große Debatte der Demokratisierung ist die Bürgerbeteiligung. Die macht allerdings nur Sinn, wenn sie ergebnisoffen ist.“ So sieht die Sendenerin das auch in Bezug auf den angedachten Nuxit. „Kreisfreiheit ist kein Selbstzweck. Da müssen jetzt alle kritischen Fragen offen diskutiert werden.“ Aber da will Deligöz ihren kommunalen Kolleginnen und Kollegen den Vortritt lassen.
Von: Matthias Stelzer

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