Haushaltsrede 2021

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Stadträtinnen und –räte,

kommunale Haushalte scheinen auf dem ersten Blick nicht politisch zu sein. Es gilt, Pflichtaufgaben zu erfüllen, Brücken müssen saniert werden, Schulräume renoviert, Kindergärten ausgebaut werden. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wenn esdurch eine schreckliche Pandemie und die notwendigen Shutdowns eng wird fürGewerbetreibende, Unternehmer*innen und Arbeitnehmer*innen, muss der Staat unddamit auch die Stadt in die Zukunft investieren, selbst wenn das nur auf Kredit möglichist. In die Zukunft zu investieren, heißt eben auch, viele Millionen für die Kanalsanierung und den Hochwasserschutz auszugeben, alte Mülldeponien zu sanieren,Wege auszubessern.

Pandemie und Hochwasserschutz sind aber schon Stichworte für meine Kritik: wo findet sich im Haushaltsplan die größte Krise der Menschheit wieder, die Klimakrise, die nichtmehr vor der Tür steht, sondern in vollem Gange ist? Wir müssen umdenken, umlenken, neu lernen. Wir müssen investieren, und zwar in Hitzeanpassung, in Klimaresilienz, uns dem Artensterben entgegen stemmen, in Begrünung, Durchlüftunginvestieren, Ressourcensparen, Energie- und Mobilitätswende voran treiben. Das ist Aufgabe jeder Kommune, auch wenn viele Entscheidungen von der großen Politikgetroffen werden. Solche Investitionen vermisse ich in unserem Haushalt.

Was auch immer wir tun und entscheiden, müssen wir jede Entscheidung auf ihre Klimaauswirkung überprüfen. Wie können wir überhaupt daran denken, einen Schulgarten mit über 30 großen, ausgewachsenen Bäumen zu planieren, umAutoparkflächen zu schaffen. Wie können wir die Mobilitätswende ignorieren, indem wir das Vorfahren der Autos vor die Schule erleichtern, statt die Fuß- und Fahrradwegefür die Schüler*innen sicherer und angenehmer zu gestalten? Sicherheit entsteht nicht durch bessere Autozufahrten. Sicherheit entsteht auch an der Pfobkreuzung nicht,indem wir noch ein Gutachten und noch ein weiteres Gutachten beauftragen, währendunser dringlicher Antrag auf sofortige Einrichtung eines provisorischenFußgängerüberwegs seit Oktober nicht einmal behandelt wurde. Das sindWeichenstellungen, die wir nicht akzeptieren können und werden. Es sind die kleinen Entscheidungen, die großes bewirken.

Zu guter Letzt möchte ich noch ein Thema aufgreifen, das uns in den letzten Monaten stark bewegt hat, da sich nicht bewegt. Kultur ist das Salz des Lebens, und unser Lebenist seit einem Jahr extrem salzarm. Nur mit Mühe konnten ganz wenige Veranstaltungen durchgeführt werden. Auch hier vermissen wir ein Engagement der Stadt, das sich im Haushaltsplan zeigt. Kosten für Kultur sind nicht zu finden; mit demKauf der Figur zur Kinderbrotspeisung ist anscheinend das gesamte Kulturbudgetverbraucht. Hier wünschen wir uns mehr Mut und Engagement, gerade in Pandemie- und Krisenzeiten. Mit Mut voran, neue Formen, neue Wege, neue Lösungen. Wir werden mit unserer ganzen Kraft und unserem Engagement für eine enkeltaugliche Politik in unserer Stadt eintreten, mit den Bürger*innen und den Stadtratskolleg*innen zusammen.

Als neue Stadträtinnen möchten wir unserem Bürgermeister und unseren Kolleg*innendanken, dass sie uns an die Hand genommen haben und uns mit Erklärungen zur Seite standen und stehen. Wir möchten insbesondere den Mitarbeiter*innen danken, die wir mit Fragen torpediert haben, und die trotzdem geduldig geantwortet haben. Wir sinnlicher, dass wir weiterhin fraktionsübergreifend und gemeinsam an den wichtigen, den großen und den kleinen Themen der Stadt arbeiten werden, dass wir diskutieren und streiten und uns am Ende doch, wie es unser Bürgermeister bei seiner Antrittsredegewünscht hat, weiter in die Augen schauen können. In diesem Sinne stimmen wir trotz unserer Kritikpunkte dem Gesamthaushalt zu.

Eveline Kuhnert Fraktionsvorsitzende

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