Verkehrsberuhigung oder Ortsumfahrung?

Auf Einladung der LIB (Liste Ichenhauser Bürger) und der Grünen Günzburg fand am 12.07.21 erstmalig ein Lärmspaziergang in Ichenhausen statt. Wer die Stadt kennt, versteht gleich: wälzen sich doch Auto um Auto, LKW um LKW durch das Herz der Stadt. Stadträtin Gabriele Walter (LIB Ichenhausen) erzählte und zeigte die Geschichte des örtlichen Verkehrs. Vom früher hohen Fuß-, Rad- und Bahnanteil ist die Stadt heute weit entfernt. Nach dem lauten Spaziergang war man froh, sich im ruhigen Dilldappersaal niederzulassen.Wäre die neue B16-Ost die richtige Lösung für Ichenhausen? Eher nicht, so Max Deisenhofer, Landtagsabgeordneter der Grünen. „Die derzeitigen Planungen sehen wir sehr kritisch“. Der enorme Flächenverbrauch und die Kosten von 100 Mio. seien einfach unverhältnismäßig. „Ist das die richtige Planung für die nächsten Generationen?“ so Deisenhofer. Der Bau würde nicht vor 2030 fertig gestellt werden, und die Frage sei, ob Elektromobilität und Stärkung der Bahn bis dahin nicht schon neue, einfachere Lösungen möglich machten.Stefan Bissinger, Landwirt und Kreisvorsitzender des Bauernverbands, referierte über die schwierige Lage der Landwirtschaft im Kreis, die durch die zunehmende Versiegelung immer mehr Ackerfläche verliert. „Wir haben hier äußerst fruchtbare Böden für unsere regionale Versorgung“, so Bissinger. Landversiegelung widerspreche dem notwendigen Klimaschutz, aber leider bleibe es immer nur bei vollmundigen Zielen, statt konkret hier und jetzt die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.Dr. Markus Büchler, verkehrspolitischer Sprecher der Landtagsgrünen, wies auf die Grundsätzlichkeit der Problematik hin. Überall in Bayern leiden Orte unter Durchfahrts- und Umgehungsstraßen. Nur die Verkehrswende bringe mehr Lebensqualität; auch die CO2-Emissionen müssten dringend gesenkt werden. „Ein bloßer Wechsel der Antriebstechnik verbessert zwar die CO2-Bilanz, aber die Situation in den Städten und Dörfern verbessert sich dadurch nicht. Wir haben einfach keinen Platz mehr“, fügte er hinzu. „Meine Oma hat mich noch auf die Straße zum Spielen geschickt“, so Büchler, „aber jetzt steht alles voller abgestellter Autos, und der Verkehr lässt keinen Lebensraum“.Und was macht die Landesregierung gegen die Verkehrsproblematik? Drei Dringe, so Büchler. „Sie baut Straßen, baut Straßen und baut Straßen“, sorgte er für Lacher im Publikum. „Es sind überall Ausbauten von bestehenden Straßen geplant, und das macht den Autoverkehr immer attraktiver zu Lasten der Bahn“. Mit der neuen B16 Ost werde die Mittelschwabenbahn noch mehr an Attraktivität verlieren. Planungen für die Regionalbahn fehlten jedoch; hier sei die Landesregierung gefragt, deutlich mehr Verbindungen zu schaffen und die bestehenden zu verbessern. Die Stärkung von Rad- und Fußverkehr, Übergänge für Zufußgehende, Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet wären zusätzlich zur Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs Mittel zur Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualität der Stadt.Für besondere Freude sorgte der Hinweis von Büchler, dass Kommunen aufgrund einer Verwaltungsvorschrift verpflichtet sind, vor gemeindlichen Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Seniorenheimen Tempo 30 anzuordnen; diese Pflicht nehme Bundesstraßen wie die B16 nicht aus. Von dieser Pflicht hatte man in Ichenhausen wohl noch nie gehört. Mehr Tempoüberwachung, ein konsequentes Vorgehen gegen laute Poser und endlich mutige Schritte in Richtung Verkehrswende waren Wünsche der Bürgerinnen und Bürger an die Politik. Bei allen Anwesenden war die Freude groß, sich nach langen Monaten endlich wieder direkt treffen zu dürfen, und so ging man fast traurig wieder auseinander; zu Fuß, mit dem Rad, mit der Mittelschwabenbahn oder eben mit dem Auto, wenn es denn sein muss.

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